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Corona bringt das Personalkarussell in Schwung

Corona bringt das Personalkarussell in Schwung

Apropos Reise: Was haben Lokführer und Augenoptiker gemeinsam? Beide sind (seit längerem schon) eine rare Angestellten-Spezies, beide haben in der Corona-Pandemie überwiegend weitergearbeitet und beide hätten jetzt, wo sich die Lage zumindest etwas entspannt hat, ihr überdurchschnittliches berufliches Engagement offensichtlich gerne finanziell honoriert. Doch hier hören die Gemeinsamkeiten dann auch auf: Während die gewerkschaftlich organisierten Lokführer streiken (vor allem für Lohnerhöhungen und Corona-Gratifikationen) müssen die unorganisierten Augenoptiker sich individuell ums Upgrading in ihrem Portemonnaie kümmern.

Das taten sie gleich zu Beginn der Pandemie im März/April, als eine mittlere Völkerwanderung von den unabhängigen Fachbetrieben zu den Filialisten einsetzte. „So eine Welle habe ich in meinem Berufsleben noch nie erlebt“, berichtet der Personalberater und -vermittler Dag-Olaf Kiefer, „das Telefon stand kaum noch still, wobei unter den Anrufern auch sehr viele neue Klienten waren“. Finanzielle Aspekte hätten allerdings bei den Wechselwilligen zu der Zeit erst an zweiter Stelle gestanden, in erster Linie „ging es schlicht und ergreifend um Sicherheit, um wirtschaftliche Sicherheit.“ Und während viele kleinere Betriebe um die nackte Existenz bangten, hätten die Filialisten die Situation mit cleveren Versprechen – „bei uns sind die Arbeitsplätze sicher, die Kurzarbeit wird finanziell ausgeglichen“ – ausgenutzt und eine wahre Sogwirkung erzeugt. Erst später im Jahr 2020 habe es eine leichte Gegenbewegung gegeben. Kiefer: „Da haben nämlich einige gemerkt, dass bei den Filialisten auch nicht alles Gold ist, was glänzt.“

„So eine Welle habe ich in meinem Berufsleben noch nie erlebt, das Telefon stand kaum noch still, wobei unter den Anrufern auch sehr viele neue Klienten waren“

Dag-Olaf Kiefer

Personalberater und -vermittler

Zwar ist der Hamburger Jobvermittler kein Hellseher, interessant ist aber trotzdem ein Blick in die von Kiefer im Herbst 2019 – also wenige Monate vor Corona – durchgeführte Befragung unter 210 Mitarbeitern in der Augenoptik (und zu einem geringen Anteil auch der der Hörakustik). Auf „Ich sehe mich auch noch in fünf Jahren in diesem Betrieb“ antworteten 21,4 Prozent mit „trifft überwiegend nicht zu“ sowie stolze 33,1 Prozent mit „trifft nicht zu“. Vergleichbare Prozentzahlen ergaben sich bei der Aussage „Ich würde meinen Betrieb als Arbeitgeber weiterempfehlen.“ Nimmt man dann noch die latente Unzufriedenheit mit der Bezahlung (überwiegend nicht zufrieden: 16,8 Prozent; überhaupt nicht zufrieden: 40,8 Prozent) ergibt sich eine Adhäsionskraft, die mit der Klebekraft eines altersschwachen Post-its zu vergleichen ist. Soll heißen: Die erste Chance zur Luftveränderung wird genutzt, Verschlechterungen des Ist-Zustands lösen – siehe oben – den Griff zum Telefon aus.

Dass es bei so manchem dann nicht einmal mehr fünf Monate wurden – nun ja, die Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Existenzängsten war (und ist) eine ganz reale Bedrohung für den einzelnen Angestellten. Die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit weist für 2020 einen Anstieg von 415 (März) über 581 (Mai) auf fast 800 (Juli + August) Kolleginnen und Kollegen ohne Job aus. Im Mai dieses Jahres waren wir wieder bei 534 angelangt; derzeit ist die Tendenz erneut leicht steigend (Screenshot AL-Statistik? und Verlinkung zum ZVA). Wo wir gerade bei Statistik sind: Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Umfrage der Jobplattform Stepstone, nach der Jobwechsler zu Corona-Zeiten besser dastanden als diejenigen, die ihrem Arbeitgeber treu blieben. Fast 60 Prozent derjenigen, die 2020 einen neuen Job angefangen haben, sagen: „Die Corona-Pandemie hatte keine negativen Auswirkungen auf mein Gehalt.“ Dagegen bekannten 46 Prozent der „Betriebstreuen“, wegen der besonderen Umstände nicht nach einer Gehaltserhöhung gefragt zu haben, obwohl sie es eigentlich vorgehabt hätten.

Dienst-E-Bike oder Urlaub als Alternativen zur Gehaltserhöhung

Falsch, findet das Dag-Olaf Kiefer. Er rät, zunächst einmal Transparenz einzufordern und zu fragen: Wie genau trifft die Krise unseren Betrieb? Und warum hat das Auswirkungen auf meine Gehaltsforderung? Wenn der Chef dann glaubhaft darlege, dass wirklich kein Spielraum für ein Plus vorhanden sei, könne man nach Alternativen zur Gehaltserhöhung fragen: „Ein paar zusätzliche Urlaubstage, flexiblere Arbeitszeiten und gegebenenfalls ein Jobticket oder ein Dienst-E-Bike sind vielleicht doch drin, wenn man den eigenen Nutzen für den Betrieb realistisch darstellt.“ Dabei helfe es, sich klar zu machen, dass dieser in Krisenzeiten ganz besonders auf gute, motivierte Mitarbeiter angewiesen ist und sie halten möchte. Und dann wird es ja auch irgendwann wieder ein Arbeitsleben nach Corona geben …

Gehen oder (für mehr Geld) bleiben – das muss jeder für sich selbst entscheiden. Vielerorts hört man ja auch, die Krise habe das eigene Team stärker zusammengeschweisst. Der augenoptische Personalmarkt ist jedenfalls trotz der derzeit pandemiebedingten Unsicherheiten und Schwankungen ein sehr arbeitnehmerfreundlicher Markt. Wie Chefs und Chefinnen das sehen, erleben und damit umgehen, werden wir im nächsten Newsletter beleuchten.

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