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Wenn der Headhunter den Azubi am Schultor verpflichtet

Wenn der Headhunter den Azubi am Schultor verpflichtet

Welche Kinder (und Jugendliche) wollen derzeit überhaupt Augenoptiker werden? Denn kaum ist die eine Krise – Corona – halbwegs eingedämmt, drängt schon wieder die nächste (oder besser: altbekannte?) heran, mit Namen Fachkräftenachwuchsmangel. 7.654 Azubis in der Augenoptik verzeichnete die Statistik für das Jahr 2020, das bedeutete einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 8,8 Prozent; 738 Ausbildungsverträge weniger. Damit lag die Augenoptik im (negativen) Trend, das Handwerk insgesamt verzeichnete ein Minus von 7,5 Prozent oder 9.000 Verträge weniger. Für den nahen Ausbildungsstart in diesem Jahr geben Experten, die nah am Puls sind, ebenfalls wenig Anlass zu Optimismus. „Uns macht Sorge, dass noch zu wenig Lehrverträge abgeschlossen wurden, sagte gerade beispielsweise Torben Viehl, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mettmann (bei Düsseldorf).

Klar, die Pandemie ist die Hauptschuldige an dieser Delle, sie macht die ohnehin existierenden demografischen Entwicklungen schmerzhaft spürbar. Das große Problem ist nicht einmal, dass die Betriebe wegen der wirtschaftlich unsicheren Perspektive zu wenig Ausbildungsplätze anbieten würden. Vielmehr kommen Ausbilder und Auszubildende einfach nicht zusammen, konnten sich nicht kennen (und schätzen) lernen. „Auf der Bewerberseite bestand im vergangenen Jahr sehr große Verunsicherung“, berichtet Dirk Schäfermeyer, Leiter Aus- und Fortbildung beim ZVA. Veranstaltungen zur Berufsorientierung wie Jobmessen, Tage der offenen Tür oder Ausbildungsbörsen seien wegen Corona schlicht ausgefallen, „und viele junge Menschen haben sich lieber für eine Verlängerung ihrer schulischen Laufbahn entschieden, als eine Ausbildung zu beginnen“.

Besorgniserregende Entwicklung

Die besorgniserregende Entwicklung ist offenbar auch „ganz oben“ realisiert worden. Kurzerhand haben die Bundesagentur für Arbeit, das Arbeitsministerium sowie einige Spitzenverbände den diesjährigen Sommer zum „Sommer der Berufsausbildung“ erklärt. Themen- und Aktionstage, Hotlines und Last-Minute-Börsen auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene sollen dafür sorgen, dass möglichst viele junge Menschen 2021 eine Berufsausbildung beginnen. Ordentlich Medienrummel begleitet die Veranstaltung; so berichtete etwa der Westdeutsche Rundfunk am Aktionstag „Azubi dringend gesucht“ Ende Juni in seinen TV- und Radioprogrammen sowie im sendereigenen YouTube-Kanal quasi rund um die Uhr über das echte Junghandwerkerleben: Wie ist das, wenn der Ausbilder motzt oder die Kunden nerven?

Kein schlechter Ansatz, doch der Teilnahmedrang der Augenoptikbranche ist: überschaubar. Nahezu wortgleich berichten zum Beispiel die Landesinnung Niedersachsen und Bremen, der LIV Bayern, der SWAV oder der AOV NRW „dass uns keine konkreten Aktionen zum Sommer der Ausbildung in den Gebieten unserer Innungen bekannt sind“. Die Suche auf einschlägigen Websites bringt nur deswegen Treffer, weil jede zweite die Phrase „Berufe von A-Z: Von Augenoptiker bis Zweiradmechaniker“ verwendet. Mit einiger Mühe entdeckt man kleine Perlen wie „Beruf Augenoptiker/-in“ bei azubi.tv – ein Angebot der Handwerkskammer Region Stuttgart, die die Berufe samt Jobangeboten derzeit im „AzubiTV-Bus on tour“ durch die Lande schickt. Oder Lena und Laura, die beiden „Ausbildungsbotschafterinnen Augenoptik“ der Handwerkskammer Konstanz: Weil Schulbesuche coronabedingt nicht möglich waren, geben sie in einem selbstgedrehten Video Einblick in ihren Beruf.

Ist Ihr Betrieb noch auf der Suche nach einem Auszubildenden? Dann sollten Sie vielleicht schon jetzt einen Personal-Recruiter beauftragen, wie es der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky vom Thinktank „2b ahead“ für die nahe Zukunft ohnehin prognostiziert: Spätestens 2030 „werden Headhunter schon vor den Schultoren stehen, um die guten und sehr guten Schüler möglichst früh unter Vertrag zu nehmen.“ (www.trendforscher.eu/de/prognosen/zukunft-der-arbeit/) Ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, werden wir – wie einige andere spannende Fragen zur aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt Augenoptik – demnächst mit dem Personalberater und Branchenkenner Dag Olaf Kiefer besprechen.

FOTO: adobe stock@Halfpoint

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